1
Wie viele Vorwürfe du ihm doch machst gleichzeitig!
Du sprichst und sprichst, er kriegt kein Wort heraus.
2
Willst etwa du, dass dir wiedergegeben werde die gewohnte Gefährtin
und erhalten bleibe – solange du lebst – die gewohnte Jugendkraft?
3
Siehst denn nicht du, wie seine Wechselfälle zermürben alles Neue,
und wie sie die volkreichen Gegenden dieser Welt wüst hinter sich lassen?
4
Und wenn dir Hierbleiben ein Übel,
liegt Heil dir in der Emigration – und gut zu Pferd.
5
Deine Sorge ist die Sorge dessen, der auf etwas
wartet; drum dein Schweifen in der Fremde, dir die schrulligsten zu suchen.
6
Denn der Vorsichtige, um zu schlummern, tut’s wie
der aufgeschreckte Vogel, der im Mauerloch scharrt.
7
Der Kühne verlangt seine Speise von den scheidenden Schwertern,
und sein Getränk eher von den Lanzen als von den Wolken.
8
In den edlen Taten sei klug und bescheide dich,
wenn darin du recht handeln willst.
9
Und zur Beförderung des Guten sei Flamme,
die im Wehen des Windes aufflackert.
10
Sein Schöpfer schärft das Schwert nur dazu,
daß Köpfe fliegen, wenn’s gezückt.
11
Zieh dein Unterreden nicht der Wüstenfährnis vor,
deren Fata Morgana du für Trinkwasser hältst.
12
Wie oft erlangt man nicht die Macht über Leichen gehend;
daß nicht Angst jetzt dir die Türe schließe.
13
Widersprüche ließen mich zweifeln; doch Kühnheit
hält inne, wenn man zu zweifeln beginnt.
14
Deines Schicksals Gunst scheint in Ungunst sich zu wandeln,
und zahlt dir nicht mehr heim dein gutes Handeln.
15
Stünde dir das Schicksal gleich der Hand eines Großmütigen bei,
es wäre seiner Natur gemäß etwas Überraschendes.
16
Wein trinken macht mich melancholisch, und der Gesang
senkt Traurigkeit in mein Herz.
17
Widerspruch hinterlässt seine Spuren in den Gewohnheiten;
der bitter schmeckt und süß im Schlucken sich gebärdet.
18
Nachdem die Großmütigen meines Volkes abgefahren, gab man mir
Wölfe zur Gesellschaft statt der Gefährten.
19
Der Freund stellte sich mir entgegen, und fand keine
andere Gesellschaft als die Bücher.
20
Wie viele Freunde hat nicht das Unheil ins Elend gebracht,
Freunde, die, als uns das Schicksal nicht gewogen, gute Freunde waren!
21
Nein, eng ist sie mir nicht, die Erde, andernfalls gewöhnte
ich mich daran, mir ihre Weite als Ebene zu denken.
22
Ich irrt’ durch die Wüsten auf geschwinden Kamelen, die im Wettstreit
mich die Entfernungen durcheilen ließen, die ihnen ihr Futter.
23
Und würdest verwechseln die rasche Bewegung ihrer Hufe im Wettstreit
mit den geschwinden Fingern, die am Rechenbrett die Zahlen bewegen.
24
Und würdest fast glauben, daß das erschöpfte Kamel das Halfter
an seiner Nase für eine Schlange gehalten.
25
Ich durchquerte die Nacht unter dem Stern meiner Lanze,
wenn die Sterne sich den Blicken verbargen.
26
Denn der, der auf den Spuren edler Taten stirbt, kommt dem gleich,
der das erzielt, was er von ihnen wollte, und kehrt wieder.
27
Zu Abenteuern treibt mich ein Schwert, dessen Hiebe
all das verachten lassen, was hart dich angeht.
28
Schwert, das immer, sobald ich es darum bat, es aus blutigen Wolken
regnen zu lassen, es regnen ließ.
29
Als ob auf ihm auflebte das Feuer seines Schöpfers;
und wär’ da nicht das Wasser seines Glanzes, es schmölze.
30
Als blitzten der Sonne Strahlen auf ihm,
wär’ nicht die Maserung als Wolke dazwischen.
31
Als hätt’ es die Zeit lang schon grau werden lassen,
nimmer hört schwarzes Blut auf, es zu färben.
32
Als wär’ Schnitt ein hingeträllertes Morgenlied,
erklingt sein Schwingen, wenn es die Halswirbel trifft.
33
Nein, wir geizten nicht in unserer Heimat, unsere Gemüter
verschmähen die Unterdrückung und lehnen sich auf.
34
Wir widerstanden diesen widrigen Wechselfällen, daß selbst
dem Jüngling, die ihm widerfuhren, die Haare bleich geworden wären.
35
Nichts blieb uns als die Seelen und die edlen Taten,
die du ehrst, indem du von ihnen erzählst.
36
Und die Sternschnuppen fielen und fielen,
die Erde berührten sie nie.
[Ibn Hamdîs, Diwan, XI]