1
Ein Verliebter, der sich abzehrt, wenn er der begegnet, die ihn sich
abzehren läßt, genießet die Leiden seiner Qual.
2
Seine Liebe zu verhehlen, verbarg er sie vor neugierigen Augen,
die aber doch der Tränen gewahr wurden und ihres verborgenen Sinnes.
3
Wie viele, die ihm mit Tadel im Ohr lagen, aber das Herz
mit seinem Schlagen wehrt sich ihres Anschlags!
4
Herr der Herzen ist der Schönen Liebe. O sag: wie können
unsere Körper sich seiner Herzen erfreuen?
5
Wird mir also Trost, wenn sie vor mir erscheint mit reifen
Früchten, ein Zweiglein, schaukelnd mit bebender Brust?
6
Und erheben im Meer der Leidenschaft sich nicht hoch die Wellen
im Ost- wie im Nord- wie im Südwind?
7
Und prangt nicht in der Seele der Mond, der die Liebe erweckt und
dahinscheiden läßt mit seinem Auf-, mit seinem Untergang?
8
Es paarte sich mit der Rose der Wangen der Skorpion ihrer
Schläfen und bestäubte ihren Busen mit Moschusstaub.
9
Das Auge ist geblendet vom Glanz ihres Lichts,
und die Seele trunken vom Duft, der von ihr ausgeht.
10
Im Auge liegt ihr ein Unwohlsein, dessen Liebreiz gleich dem ist, das
ihr Klagen und ihr Traurigsein um mich breitete.
11
Oh Zauberei! Deren Heilung dem Arzt mitnichten gegeben.
Hast du vielleicht einen Ersatz für die heilende Kunst?
12
Sie kommt mir in den Sinn, wenn der Kriegslärm dem aufrichtigen Herzen
des Freundes den Gedanken an den Freund vergessen läßt.
13
Das Schwert im Aufeinanderschlagen der Schwerter, wenn es gezogen,
hat den Tod in seinem Lachen und eine finstere Miene.
14
Schlank wie die Bienenkönigin, wär’s leichter,
auf dem Meer als auf ihm zu reiten. [*]
15
Aus dem schwarzen Mantel heraus scheint der schwarze Rabe
sich in seine Schwärze zu tauchen.
16
Mit seinem Eifer führt es dich schnurstracks fort
wie das Wasser einer Röhre, deren Stöpsel entzwei.
17
Läufer von alter Rasse, sonder Müh’ den andren voran,
und strebt zum Ziel, denn ihm fließt hochherzig das Blut in den Adern.
18
Und zeigt sich dir mit vier Beinen, die Natur
ihm gemodelt zur Körperbeschaffenheit.
19
Es scheint, als sei die Lebhaftigkeit seiner Augen, seines Geistes
sich von den Ohren übertrage auf die Fersen.
20
Er wirft die Hufe aufs weite Terrain und beklagt sich dann,
daß es seine Sprünge beengt.
21
Es läuft und besiegt den Blitz, erreicht sein Ziel,
noch bevor er seinem Blick entschwindet;
22
und weil sein schwarzer Widerschein der nächtlichen Finsternis ähnelt,
flitzt es durch den Abend eingehüllt in den Glanz seines Mantels.
23
Blut spritzt mein Schwert beim Kampf mit den Löwen,
die er niederstreckt dort, mit dem Federbusch des Schwanzes.
24
Eine Klinge fürwahr, die einem Flusse gleicht, auf dem sich
die Wellen kräuseln im leichten Wind, der über sie dahinfährt.
25
Es zogen sie auf in den Feuern die Hände einer Schmiedin, und wird
als Feuerzeug dienen, sie zu entzünden am Tage der Schlacht.
26
Es scheint, es seien in seinem Wasser und in seiner Flamme
Ameisen, die schwimmen und laufen.
27
Und wenn sie dem Halswirbel eines Kühnen begegnet, dann trennt sie ihn durch,
und meine Hand steht ihr bei in dem, wonach sie sich sehnt;
28
und es scheint, daß der Kühne sie mit dem Sterbenden teilt, damit
der Anteil des einen dem des anderen gleicht.
[*] Schiaparelli hat: „Smilzo come l’ape regina, quando tu lo cavalchi […]“. Im Doppelvers davor war die Rede von “spada” (Schwert), so daß sich die maskuline Endung nicht darauf beziehen läßt. Hinzu kommt ein „reiten“. Es muß sich um einen Gedankensprung handeln (oder ist da eine Lücke?), das Folgende kann sich jedenfalls nur auf ein Reittier beziehen, ob Pferd, ob Kamel. Hier wäre das Hinzuziehen eines Arabischkundigen sinnvoll.