Wo das meer stillsteht (3)
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wer mit dir kommt, nah bei jedem deiner toten
wer sagt – der eine geerntete stein
läßt das meer auf den pegel deines wassers sinken
wenn du schaust – kannst du nur vogelsang als begräbnismusik hören
du lauschst – träumst jedoch vom karminroten schutzumschlag des ozeans
hingelegt auf die fensterbank
pingelige alpträume lesen sich dich noch gründlicher
leichen, vollgestopft mit wieder ins gedächtnis gerufener kreide
wer teilt diese leidvolle distanz mit dir?
jetzt ist am weitesten fort
dein stillstehen ist so voll wie des ozeans wahnsinn
die fülle von einsamkeit – läßt ein ohr lange denken
in jeder trockenen muschel wurde raubtieren frisches blut abgelassen
schneeweiße giftmilch – ein tropfen ist genug
dein sonnenlicht zu stillen
die augen offen und in die wirklichkeit fallen
fest geschlossen – ist dem dunkel verwandt
[Wo das Meer stillsteht 5,6] <<>> [Wo das Meer stillsteht 5,8]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare