La nuict est niemands Freund.
Andreas GRYPHIUS, Verlibtes Gespenste

„Nach Rudow zu-rück-blai-benn!“, hinter seinem, Bruno Lampes, Rücken schlossen sich, klack, die automatischen Türen, und während der Zug sich anschickte, den U-Bahnhof Mehringdamm zu verlassen, bemühte sich seine Rechte, ihm so etwas wie Halt zu geben; im Verein mit der Querstange, die sich über die mittlere Sitzreihe hinzog, welche, gleich den anderen grüngepolsterten Pfühlen dieses subterranen Verkehrsmittels, durch die Bank weg restlos mit abendlichen Fahrgästen okkupiert war; auch war er mitnichten der Einzige, welcher stehenden Fußes diesem Transport sich hatte überantworten müssen. Doch nur flüchtig hatte er gewagt, seine, des warmen Julitages wegen mehr oder minder leicht bekleideten, und unter diesen im besonderen jungen weiblichen Mitreisenden in dieser stickeschwülen Luft einer näheren Betrachtung zu unterziehen, der irrigen Annahme zufolge, zur Schau gestellte Teilnahmslosigkeit vermöchte am ehesten Gewähr dafür zu leisten, einen lässigen, unbefangenen, souverän sich zu lenken wissenden oder, einen Ausdruck unserer jungen, allem, war nur immer sich auf das Begriffspaar ‚Gefühl und Härte‘ reduzieren ließ, zugetanen Generation zu gebrauchen, coolen Gesellen aus ihm zu machen, kurz, das zu sein, was er trotz aller Mühwaltung keineswegs ausstrahlte; er, dem so sehr die partnerschaftliche Partizipation eines ihm in den Fährnissen des Alltags inneren Halt gebenden und Stütze seienden Menschen fehlte, und was mit ‚Paar‘ sich nich in Verbindung bringen ließe. Einschließlich eines Paars neuer Schuhe, denn seine weißen Leisetreter zierten vorn über den großen Zehen zwei schlecht mit ‚Collonil Combi White‘ kaschierte, und also rosa durchschimmernde kreisrunde Hansaplast-Strip-Pflaster, die jeweils darunter sich befindenden Löcher, verursacht durch allzulang unbeschnitten gebliebene Zehennägel und seine Angewohnheit, im Zustande der Nervosität besagte Zehen in schnellem Rhythmus auf und ab zu bewegen, halbwegs zu verbergen. Was ihm des weiteren Unbehagen bereitete und einer gewissen Verschwitztheit bei ihm Vorschub leistete, war, daß er seine Jacke aus blauem Popelin trug, in deren Reißverschluß etliche Lücken klafften, und die innen für den Sommer etwas zu dick, für den Winter aber etwas zu dünn gefüttert war, er hatte jedoch nur diese. Weshalb er sie trotzdem anbehielt? Weil unter seinen Achseln der Schweiß wütete, und er, die Eigenschaften seines graugefärbten Secondhand-Hemdes, an dessen Kragen-Innenseite immerhin ein ‚van Laack‘, wenn auch nur ihm, Markenqualität suggerierte, kennend, nicht wollte, daß man ihn schon aufgrund des bloßen Augenscheins der Transpiration überführe. Zwar rieb er seine Nase kurz am rechten Ärmel, um unauffällig einmal schnuppern zu können, doch hatte er keinen solch sensiblen Riecher, daß er in all dem Dunstgewabere die ganz spezifische Sfumatur der chemischen Zusammensetzung seines Körpersekrets zu unterscheiden vermocht hätte. Was ihn einesteils beruhigte, aber: Wer seines Schweißes genießen will, muß ihn warm zudecken. Die Tatsache nämlich, daß er seinen rechten Arm in die Höhe reckte, hatte eine ziemliche Ausbuchtung der betreffenden Jackenhälfte zur Folge, welche dergestalt all den gnadenlos indiskreten Augen – das sie’s waren, stand für ihn sowieso von vornherein fest – ungehindert Einblick gewährte in seine gleichsam dunkel vor hinfeuchtende Intimsphäre.

[und dieses war der anfang zu dem, und dazwischen klaffte und klafft ein großes loch]

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