[Wo das Meer stillsteht 3,3]
Museumsfenster mit den eingravierten namen verschiedener ozeane
kein ozean wie dieser absolute stillstand
worte – gelähmt an fenstern
du liest einen anderen sturm
tief eingraviert in die steinmauer
die einzige zeit, die das museum sammelt, ist zerbrechlich wie glas
du stehst hier – bist jahrelang gesegelt von meer zu meer
du siehst – wieder und wieder vom himmel überschwemmte bäume
grün – stille drohung
laß den namen eines meeres all seine toten befehligen
niemand vermag ein unbenanntes meer zu erreichen
laß einen lebendigen schädel seine gedanken dem frühling bloßlegen
die erklärung des grabsteins scheint vollkommen klar
an einem anderen ufer wurdest du nackt ausgezogen
das meer stürzt ringsum herab – all die fleischig-, fleischfressenden blätter
karten – haie wandern durch die sammlung
überall unter wasser blasse zähne, die lebendige seelen ankratzen
wassertropfen mit bedingungslosem hunger und durst
ist es völlig beraubt – wird ein phantasieklavier zerschlagen
das schauen so durchsichtig – endet in einem auge
die lügenstimme des glases – läßt ohren nur noch mehr aufgellen
was du berührst, sind nichts als die wellen deiner fingerabdrücke
von dem selben wahnsinn erdrosselt auf der anderes seite des fensters
der blaßgelbe schädel des mondes – läßt zeit ihr messer schärfen
auf dem antlitz des museums graviert mondlicht, was es lang schon zerstört
die schweren baumwipfel eines jeden ozeans
benutzen dich, um wurzeln zu schlagen – damit der frühling im abfließen dir zufließt
der tod ein samen, so viel grüner als du
in gleichbleibender zeit – litten fußabdrücke auf dem meer seit eh und je
keiner weiß, welcher name dazu führte, daß das begräbnis unendlich währt
ein für immer geschlossenes fenster
hält den ozean außerhalb der flasche – was überläuft, ist licht
der sturm kondensiert deinen körper nach dem tod zu phosphoreszenz
ganz und gar – ausgelöscht, bevor du zurückkehrst
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Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare