die morgenröte / L’Aurora – Salvatore Quasimodo

die morgenröte

weiß und flüchtig verdampft der nebel
in der reinen luft. der osten wird golden
licht breitet sich: die morgenröte.
der kauz, sein letzter schrei dem flieh’nden
dunkel, verliert sich im schweigen des
schattens des waldes. die liebe beginnt
ausgelassen trillern in den düften
junger in blüte stehender büsche
die vögel. stolz errichten sich auf ihrem stiel
die noch dösenden alpenveilchen
die wie wild darauf warten, daß da im
türkishimmel leuchtend der goldstern
aufgehe, ihre korallenfarbigen blüten
zu öffnen. die rosige aurora ist’s: ans werk!

L’AURORA

Bianca, fugace, la nebbia svapora
nell’aria pura. S’indora l’oriente,
s’effonde la luce: ecco l’aurora.
L’ultimo grido il gufo alla fuggente
tenebra getta e nel silente ombroso
bosco dispare. Incomincia l’amore
allegri trillano fra l’odoroso
aere dei giovani arbusti in fiore
gli uccelli. Si drizzan sullo stelo
superbi i sonnecchianti ciclamini,
aspettando impazziti che nel cielo
turchino, luminoso l’astro d’oro
sorga a schiudere i loro corallini
petali. È la rosea aurora: al lavoro!

Salvatore Quasimodo – dt. von mir

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9 Antworten zu die morgenröte / L’Aurora – Salvatore Quasimodo

  1. sumuze sagt:

    Toll! Und (wie immer) ein Wermutstropfen, aber diesmal nur als winzig kleine Anregung:

    Wie wäre es mit

    junger blühend brüllender büsche

    statt

    junger in blüte stehender büsche?

    • parallalie sagt:

      damit kann ich nun wirklich nicht einverstanden sein, weil so eine morgenröte nichts brüllendes an sich hat. es ist ein stiller moment. ein warten. ich schreib‘ dies aufgrund meiner ländlichen erfahrung. es widerspräche auch dem letzten schrei des kauzes. in der prallen sonne mögen sie wohl brüllen, die büsche, oder auch nicht. eher wohl loderten sie dann, wie der brennende dornbusch in der genesis. non sunt leones in der morgenstille. auch widerspräche es den dösenden alpenveilchen.

      vgl. auch meine aurorige, noch auf ländlich selbst erlebtem beruhende original-komposition: https://parallalie.de/stories/1192221/

    • sumuze sagt:

      Das ‚Brüllen‘ rechne ich dem Ende des Wartens zu, nicht der Zeit des Wartens.

      Nach dem letzten Schrei, nach dem Schweigen, nach dem Dösen, wenn das Trillern beginnt (daher mein Eindruck eines Brüllens aus den Büschen heraus im Frühling), wenn sich aufgerichtet und an’s Werk; gegangen wird.
      Dann ist nicht mehr Morgenstille, sondern Betriebsamkeit lärmt.

      P.S. Vielleicht ist mein Eindruck jedoch nur eine Begleiterscheinung des Heuschnupfens, welcher Sinneseindrücke oft verzerrt und mich den Frühling stets mit sehr gemischten Gefühlen willkommen heißen läßt.

  2. walhalladada sagt:

    evt. …junger brütend blühender büsche

  3. parallalie sagt:

    es gelingt mir nicht, Sie beide so ernst zu nehmen, wie ich den text quasimodos, und zu glauben, Sie nähmen ihn desgleichen ernst.

    • walhalladada sagt:

      desgleichen sicherlich nicht, das wäre hybris, aber ernstgemeint war mein vorschlag schon – im hinblick auf die folgenden vögel mögen selbst büsche etwas ausbrüten

    • parallalie sagt:

      ich bitte zu bedenken, daß die büsche bereits in blüte stehen und deshalb vorerst nichts mehr auszubrüten haben. alle diese einwände gehen gegen diese morgendliche natur. die einwände kommen mir theoretisch vor, denen eine eigene wahrnehmung widerspricht und widersprechen würde. meine tut’s. das ist es ja: das gedicht beschreibt etwas, was ist. und meine version ist noch unvollkommen. man könnte es besser machen. es noch mehr in ein sein hieven, quasi übergangslos from night to day.

    • sumuze sagt:

      Unser Vorrat an Ernst ist endlich. Die Menge, die für andere Menschen bleibt, verringert sich daher stets um die Menge, die jemand auf sich selbst verwendet.

    • parallalie sagt:

      die tatsächlich nicht klein ist, zumal in diesem medium. dennoch ist es keine gleichung.

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