das tote fleisch lebt wieder auf
in seiner großen not
mit dem wind, der die gerüche
ins weite wieder ordnet.
das tote fleisch, die maschen
die sich winden
maden auch genannt
Ivano Ferrari, Macello *) (Schlachthof), dt. von mir
La carne morta rivive
nella sua grande miseria
col vento che riporta gli odori
ad un ordine sparso.
La carne morta è ricamata
da quelle sinuose presenze
che gli altri chiamano larve.
*) In: Nuovi Poeti Italiani 4, Torino 1994 (Einaudi: Collezione di poesia 249)
[zu larve: sind keine maden, sondern larven, engerlinge, denke aber auch an das lat. larva, gespenst, maske, vgl. aber auch >>> HORTVS LARVARVM und den bedeutungshof der verwesung]
.
Zieht nicht das Wort Larve immer auch den Geruch von Ent-Larven mit sich? Von den anderen (nur) so genannt.
Verwesung wäre doch eher das Gegenteil – das Verschwinden von etwas, wohingegen die Larve etwas bereit (versteckt, maskiert) hält, das vielleicht erscheinen wird.
‚entlarven‘ läßt sich aber nicht in den italienischen text hineinlesen, weil es ein deutsches wort ist. der autor nennt „sinuose presenze“, was andere schlicht mit dem wort „larve“ bezeichnen. – der kontext selbst, ein schlachthof, erlaubt auch keinen gedanken an ein verschwinden, weil das tote fleisch allgegenwärtig ist, und jeden tag neues hinzukommt. – daher meine entscheidung für „maden“ über den gedanken an „totes fleisch“, an das, was daraus wird. fäulnis eher. auch der hinweis auf den geruch des toten fleisches. der ekel selbst vor dieser arbeit als arbeit, denn der autor beschreibt persönliche erfahrungen einer jahrelangen arbeit im schlachthof. müßte ich vielleicht noch eine kleine erläuterung dazu schreiben.
Richtig, die Bedeutung des ‚Entlarvens‘ ist eher dem deutschen Sprachraum entlehnt.
‚Verschwínden‘ sehe ich dennoch durchaus als einem Schlachthof gemäß und im ‚rivive‘ angesprochen.
‚Maden‘ scheint mir auch eine sehr gute Entscheidung fürs Übersetzen. Jedoch bleibt ein Unbehagen mit der letzten Zeile. Auch ein Italiener muß um die Implikationen der Vorstellung des Larven-Stadiums wissen, insbesondere, wenn er das Wort so außerordentlich wie hier einführt.
mal wörtlich: „das fleisch eine stickerei [wird gestickt] / aus [von] den sich windenden präsenzen / die die anderen maden nennen“. meine assonanz von MAschen und MAden, sticken / stricken. da sieht er mehr als die bloße feststellung: aha, maden! gut, die präsenzen, die anwesenheiten als ein aufbäumen (sich winden) gegen das verschwinden. so in etwa kann ich das verschwinden unterbringen. die stickerei als das muster, das zum ornament wird des sich immer wiederholenden. das ornament als alltag. in der vorstellung. denn ich glaube auch nicht, daß er wirklich ein gesehenes verwesen beschreibt. da wird schon die lokale gesundheitsbehörde aufpassen.