[Wo das Meer stillsteht 3,7]
Das ufer der zeit (1)
außer sich wehte ein sturm die bäume bis an den rand – erschöpfte steine
rollen immer noch hinab
ein in der letzten nacht gestorbener vogel hinterläßt einen schrei
dies schrille schreien einer frau – sinnt hin und her im sonnenlicht
jemand, den das meer befiehlt
vermag nichts, als immer wieder nackt zu sein
so daß jedes bett am ufer aufgestellt wird
und jeder fisch deinen bauch benutzt, um einen üblen gestank von sich zu geben
fischaugen – haben das weiß versammelt, das gesehen worden
dies gellende weiß des himmels – läßt dich träumen, wenn Oktober kommt
erinnert dich im traum, daß träume nicht wirklich sind
wenn die wolken hastig weiterziehen – ersetzen sie dein eig’nes weiterziehen
flutzeit – gießt für jeden tag einen betonfußboden
der klang der ruder nach dem tod
dies kiefernnadelgrün hebt dich auf und läßt dich erbarmungslos fallen
seine von einem zebragesicht abgezogene haut, zu feldern geworden
es ist das fleisch einer uhr – läßt dich nicht gehen
während du stehst – robben wimmeln herum und bellen wie schatten so verrückt
augen, die zeit sehen, sehen zugenagelte fenster
du bist’s – der das meer alt werden läßt
das ende – monotones blau findet nicht ein einziges wort
sprache endet in deiner sprache – insel wie ein gelähmtes rückgrat
oktober endet in dem augenblick, in dem du dich vor kälte fürchtest
nackt badende reiben an einem blauen fleck, der nach dem tod entstanden
wenn das meer endlos in den tod drängt, gleicht es eher einer grenze
du selbst bist es, der in deinem ende offenbart wird – es ist das ende
das hundert jahre hell wie ein giftiger sperling glänzen läßt
wegen nichts – und erst dann verschlingt es dich
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Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare