dort wo mund
ruht
am beschlagenen
glas
den blicken
die tropfen
von mund
dann
zu mund
dann
und denken:
nebel sei hell
dieses denken, ja. aber merkwürdige metamorphose des textes nicht mal eine halbe stunde später. wie glas plötzlich zu glas wird, und keine finger mehr fratzen malen auf die angehauchte scheibe. und von mund zu mund geht fast gar nicht mehr der blick, sondern das glas. merkwürdige metamorphose im nebel, in den ich heute morgen tatsächlich hineingefahren bin. und dachte eher an die blicke, die von gesicht zu gesicht tropfen in der menge, die dir entgegenströmt. und alles mögliche. wie auch die tropfen hinablaufen von den fratzen, die der finger auf dem glas hinterlassen hat.
alle metamorphosen sind geil und es ist merkwürdig, dass texte ebenfalls metamorphosen durchlaufen, ohne dass man sie selbst verändern müsste- allein die lesart, die sich von mensch zu mensch und selbst beim autor von minute zu minute ändert, ergibt plötzlich gänzlich neue sinnverknüpfungen.
schade ist es nur, wenn sich mitunter einstmalig so logische sinnverknüpfungen plötzlich- viel später gelesen- in luft aufgelöst haben. was für ein verlust! und dann scheint ein text auf den ersten blick qualität verloren zu haben.
der umgekehrte fall scheint mir aber häufiger- es stellen sich plötzlich verdeckte, unbewusste ebenen sichtbar ein und bereichern autor und leser.
der fall stellt sich auch bei bildern ein. das hatte ich heute erst wieder im unterricht. wir sprachen über die ausdeutung von schülerbildern und kamen auf völlig verschiedene lesarten, die alle bereicherten.
das mehrdeutige kann allerdings auch frustrieren, wenn man ein konkretes ziel erreichen wollte, dann war man nicht aussagekräftig genug. ich finde es aber in der regel viel bereichernder, alles offen und meinungen nebeneinander gelten zu lassen. der austausch zeigt herzlichkeit und wärme, da ernsthaftigkeit gegenüber dem wert einer arbeit gezeigt wird. und der lerneffekt ist enorm.
spuren von wassertropfen sind insgesamt poesievoll und ich versuche mal ein tropfengedicht eines kollegen zu finden, das mir vor einiger zeit auch richtig gut gefallen hat.
so, hier ist er- allerdings nicht ganz die variante, die ich damals las:
http://www.keinblick.de/texte.php?text=109701
es ist, als hätte man eine palette von chiffren. passepartout gefiele mir nicht. und mit chiffren bastelt sich das zurecht, was im kopf sich zurechtassoziiert. nur, daß diese chiffren dann auch wieder anders funktionieren für anderes, was man sich zurechtassoziiert. es aber einmal gemerkt zu haben, ließ mich aufmerken. da ist aber keine enttäuschung. eher schon die ermahnung, das bild etwas eindeutiger auszuarbeiten, ohne es jedoch in eine ein-eindeutigkeit einzuschließen.