Zur Nr. 66 der „Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens“ und dem Kommentar dazu

was aber ist: niedergang der kultur? kultur ist wie sprache: sie hat ihre grammatik, und grammatik ist beschreibend. insofern reinste phänomenologie (oder muß es empirie heißen? (pardon)). vielleicht besser: niedergang des geistes? oder noch besser: fehlen von geistern? die nicht den geist entsorgen, sondern ihn versorgen? kunst sehe ich als einen ausdruck von kultur, sofern kunst sich zum fürsprecher einer kultur macht. und somit zum fürsprecher der markt-kultur. das ist es nämlich.
allerdings stehe ich zu meiner entscheidung, das netz dem markt vorzuziehen, auch wenn die brotarbeit mir zeit nimmt. denn das netz ist die sofort-bühne, das nichts, an das man sich nach außen hin wendet, und nicht nur nach innen hin: An wen richtet sich ein Gedicht? Ein Gedicht, äußert sich Gottfried Benn am 12. August 1951 sei an niemanden gerichtet. Er zitiert „einen gewissen Richard Wilbur“, der in einem Fragebogen für US-Lyriker angab, ein Gedicht sei „an die Muse gerichtet, und diese ist unter anderem dazu da, die Tasache zu verschleiern, daß Gedichte an niemanden gerichtet sind“. [Norbert Hummel: Die Hände der Muse, in: Schreibheft 58]
das netz verkörpert sich im bildschirm, zunächst im off, im absegnen der form, des rhythmus, der visuellen gestalt auch im word-programm, selten nur direkt über die eingabe-maske: schließlich sind gedichte keine kommentar-kommentare, sondern kommentare zum innenleben, die an ein netz gehängt werden, wie an einen weihnachtsbaum, wie ein (im augenblicks-blick des schreibenden) tautropfen an ein spinnennetz. entweder, dieser tropfen verdunstet im nichts (an das es sich wandte in der hoffnung auf ein nicht-nichts) oder er fällt in einen stachligen kaktus, der stirbt, sobald er blüht… bis dahin aber wächst er mit dem tautropfen, und lockt weiteres nichts an, d.h. kommentare. manchmal fruchtbare, machmal dörrende.
all das gibt es nicht auf dem markt. der markt wirft obst und gemüse fort, sobald es zuviel wird, sobald es den tag unheil überstanden. nicht so das im weblog geschriebene, es bleibt in den archiven des schreibenden, und es kann immer wieder verlinkt werden, solange es da ist. sicher, meistens ist es der schreibende, der sich selbst verlinkt, aber ihm selbst wird es immer wieder frisch, sobald es erinnerung wieder wachsen läßt. und so tischt er es auf: sich selbst zur speise.
auch der blogger muß essen! jenseits aller marktgesetze!

als kommentar auch hier: http://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/2455306

Dieser Beitrag wurde unter Unkategorisiert veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.