Mein Vater hatte bei der Arbeit den Spitznamen „Bimbo“. Meine Mutter schämte sich dessen: „Weißt du, wie sie Papa nennen?“ Denn sie muß es gewesen sein, die es mir sagte. Selbst hatte ich ihn nie so nennen hören. War es, weil er so dick war? und deshalb vielleicht ungeschickt wirkte? Ansonsten assoziiere ich damit nur die abfällige Bezeichnung für einen Neger. Es paßte allerdings auch gut zu der geringen Achtung, die ich vor ihm hatte, bedingt dadurch, daß sein Trinken stets den Zorn meiner Mutter hervorrief.
Allerdings haben wohl Spitznamen oft den Zweck, jemanden herabzuwürdigen oder bestenfalls zu charakterisieren. Ich muß deshalb ungern an einen Spitznamen denken, den man mir einmal zugelegt hat (nur einer im Heimatdorf benutzt ihn noch, aber den sehe ich glücklicherweise fast nie, wenn ich selten dorthin fahre): die erste Version ist „Stunneck“ (man sagte mir, es habe mal eine Familie solchen Namens im Dorf gewohnt: ich kann mich nicht daran erinnern), die zweite „Stulle“, die sich daraus deformierte, aber auch hier sehe ich keinerlei Zusammenhang mit etwaigen typischen Angewohnheiten: Stullen hatten alle. Niemand hat es mir je erklären können. Es gab immer nur den Verweis auf jene Familie.
Und immer diese Familien, die hauptsächlich in den 50er und frühen 60er Jahren nur zeitweilig in unserem Dorf an der Zonengrenze wohnten (immer noch Kriegsfolgen). Wieviel Kinder, mit denen ich spielte, verschwanden von heute auf morgen (Gertrud, Waltraud, deren Vater keine Nase mehr hatte)! Einmal nur besuchten wir eine solche Familie, die nach Wolfsburg gezogen war. Klein war ich, staunte über die dortigen Kinderspielplätze (Gerüste in Form von Flugzeugen), über die Fahrstühle, an deren Knöpfe ich nicht herankam, über die Brücken, die über den Mittellandkanal ins Volkswagenwerk führten. Später, als ich dort meinen „Industriekaufmann“ machte, gab es diese Brücken nicht mehr: man ging durch Tunnel zur Arbeit.

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