[Wo das Meer stillsteht 3,4]
Der himmel verschiebt sich
du weißt, daß dort nichts ist – nicht mal der himmel
wenn ein schneeweißes skelett durch ein laken aus blau aufgelöst wird
das deck des grabes schaut immer so lange, bis ihm schwindlig wird
jeder tagesanbruch welkt rasch dahin
das fenster – wie eine von blendenden strahlen erleuchtete tribüne
dein kleines bett im klang des vom sturm gehaltenen vortrags
zieht sich immer noch zurück in die letzte nacht – jene richtung, in der kein du war
keine vögel – schwärme von zementwolken dröhnen in den bäumen
je mehr du töricht deinen kopf hebst, desto mehr füllt sprudelndes blut deinen mund
was sich verschiebt, ist die karte – verläßt den ort deiner bitteren tränen
ausgetretene schuhe reiben anmaßend ihre füße an deinen augen
was sich verschiebt, ist ein blauer panther – im wehklagen von kühen und schafen
der tausend mal geschlachtete alte – ruft nach seiner mutter
du mußt dich setzen an diesem tunnelgleichen ort
hörst du voll achtung dem tode zu, verschiebst du dich – wirst du verschoben
verlassen sein von der richtung eines sterns und zugewandt der anderen richtung
auch das sein, was in deinem schlaf verloren gegangen – in worte gefaßt
aller tage mondlicht wird gelb durch zur flucht gebrachtes fleisch
wie schleim auf den laken
verwesung – verschiebt sich ungeachtet des geschlechts in weiße buchumschläge
macht, daß sich der himmel in dir durch dich hindurch blättert
der vater steht und füllt dein sehen aus
eine von generation zu generation weitergereichte einsamkeit
hastig sich vermischende pferderudel – laufen wild auf dich zu
ein eulenlächeln auf dem antlitz der schneeblinden
das ist die vergangenheit – in der verfallenen vorhalle des sich verschiebenden himmels
du bist vergangenheit und siehst nichts – hell und leer
zwingst einen einzelnen baum, sich über einen pechscharzen vordergrund zu türmen
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Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare